Die Drei Seltsamsten Worte

Sag ich das Wort Zukunft,
ist seine erste Silbe bereits Vergangenheit.

Sag ich das Wort Stille,
vernichte ich sie.

Sag ich das Wort Nichts,
schaffe ich etwas, das in keinem Nichtsein Raum hat.

 …stammen von Wislawa Szymborska, der wir einen Lyriksalon widmen. Sie gehörte nicht zu jenen, die viel Aufsehen um ihre Person oder ihr Werk gemacht hätten, auch nach der Verleihung des Nobelpreises für Literatur (1996) nicht. Sie stand nie gerne im Rampenlicht und vermied es, wie sie es nannte, von heute auf morgen eine »Persönlichkeit« zu werden – sie wolle »Person« bleiben. In ihrem Freundeskreis sprach sie von der Zeit vor oder nach der »Tragödie«. Damit spielte sie auf ihre plötzliche Bekanntheit nach Erhalt des Nobelpreises an. Schon immer geizte sie mit Informationen zu ihrer Person. Alles, was über sie zu sagen sei, stehe in ihren Gedichten. Tonja Gold und Rosmery Rojas Maturana werden die Gedichte lesen, begleitet von Anja Bachmann und José Luis Gutiérrez.

Am 28. März 20 Uhr im Salon der Stadtwirtschaft (Reservierungen bitte bei uns)

Und wie schön sich das schreibt – März! Auch wenn der aktuelle Blick nach draußen anderes suggerieren möchte, es wird mit dem Frühling! Diese zarten grünen Spitzchen überall und ab uns zu auch kleine Farbkleckse im Schnee lassen doch hoffen?

Die Kekse jedenfalls für den Dienstag und „Kultur zum Mittag“ sind fertig und zu unserer großen Freude haben wir auch einen Vorleser gefunden. Sehen wir uns 12.10 Uhr am Dienstag im Taschenbuchladen? Oder am Abend, 20 Uhr zu seitenweise Film in der Stadtwirtschaft zu Erich Kästner Buchverfilmung „Fabian oder der Gang vor die Hund“ ?

Oder doch und sowieso im Taschenbuchladen? Dort „grünt“ es ja auch. Von den vielen Buchschönheiten schrieb ich schon letztens. Unsere Kinderbuchregale sind nun auch wieder schönst gefüllt. Nur so stellvertretend sei hier ein kleines Büchlein genannt. „Lesen ist doof“ so der Titel – aber die Autoren Silke Schlichtmann und Nils Freytag liefern 20 gute Gründe, Lesen nicht doof zu finden, unterstützt von Bildern sehr namhafter Kinderbuchillustratoren wie Erhard Dietl, Sybille Hein, Daniela Kulot, Paul Maar, Kathrin Schärer, Axel Scheffler, Sabine Wilharm. Ach und so das eine oder andere bunte Ei haben wir inzwischen auch schon versteckt. Fertig gelesen habe ich nun „Zwischen Welten“ von Juli Zeh und Simon Urban. Sie schreiben dynamisch, spitz, oft zynisch, kämpferisch und belehrend und dann doch wieder vermittelnd und porträtieren dabei eine Gesellschaft, die oft Meinung über Fakten stellt. Per Email und WhatsApp wollten beide Protagonisten sich eigentlich aus ihren Welten erzählen (Theresa hat den Bauernhof ihres Vaters übernommen und Stefan hat Karriere bei Deutschlands größter Wochenzeitung gemacht), doch während sie sich näherkommen wollen, geraten sie immer wieder in hitzigen Schlagabtausch über die aktuellen polarisierenden Fragen. Die Grundannahme von „Zwischen Welten“ ist die Spaltung der heutigen, unsrigen Gesellschaft. Ob Klimaaktivismus, Gendersterne oder Ukraine-Krieg – Meinungen gehen heute nicht nur auseinander, sondern ziemlich schnell in Kulturkämpfe über, wie die beiden uns das in diesem Briefroman vor Augen führen. Fast schon zu viele Diskussionen bilden sie ab, kreisen aber konsequent um das Thema, wie wichtig eine konstruktive Debattenkultur ist. „Schriftliche Konfrontationstherapie“ nennen sie ihren Austausch und ich das Buch zwar sehr unbequem, aber unbedingt empfehlenswert.

Iva hat es das neue kleine Büchlein von Monika Maron angetan. Mit „Krähengekrächz“ schickt Monika Maron ihrem nächsten Roman einen kleinen Exkurs voraus. Was als Recherche begann, wurde zu einer eigenständigen Betrachtung über die Rabenvögel und das Verhältnis von Tieren und Menschen im Allgemeinen. Um mehr über die Vögel zu erfahren, hatte Monika Maron es sich in den Kopf gesetzt mit einem Exemplar dieser Spezies Freundschaft zu schließen. „Schon dieses Vorhaben beweist, wie wenig ich von Krähen verstand“, räumt sie ein. Sie beschreibt, wie sie die Krähen auf dem Balkon ihrer Berliner Wohnung mit Nüssen und Wurstwürfeln zu füttern beginnt. Dass der Blick auf Tiere im allgemeinen der menschlichen Selbsterkenntnis sowieso förderlich ist und warum es vielleicht auch schön wäre, eine Krähe zu sein – sie hat es aufgeschrieben.

Noch ein paar Worte meinerseits zu Meldungen der letzten Woche, die die Buchbranche bewegt. Der britische Puffin-Verlag von Roald Dahl hat dessen Bücher von Wörtern befreit, die heutzutage Anstoß bei sensiblen Lesern erregen könnten. Enthaltene Stereotypen bei Themen wie Gender, Hautfarbe oder Gewalt sollten raus. „Fett“ wurde beispielsweise durch „enorm“ ersetzt und aus „small men“ wurde genderneutral „small people“, aus der Supermarktkassiererin eine Wissenschaftlerin und und und… Am Ende kamen hunderte Änderungen zusammen, die von der Einzigartigkeit und Kraft Dahlscher Kinderbuchfiguren nichts mehr übrig ließen. Dass das keinesfalls im Sinne des Autoren ist, ist unumstritten und möge doch dringend rückgängig gemacht werden (Mittlerweile bietet der Verlag beide Varianten an). Derzeit erscheinen Roald Dahls Kinderbücher in Neuübersetzung von Andreas Steinhöfel und Sabine Ludwig, die sich bei ihrer Arbeit um derlei Dinge glücklicherweise nicht kümmern mußten…

Und von „Gut gegen gut“ ist die Rede bei der derzeitigen Klage (es ist nicht zufassen), der sehr schönen „Lettre international“ gegen die sehr schöne „Sinn und Form“. Beides Printmedien, die sich auf hohem Niveau der zeitgenössischen Literatur und ihren Interpretatioen widmen. Der eine bekommt staatliche Fördermittel und der andere nicht, so schlicht ist es, worum es geht in der Klage und nun darf „Sinn und Form“ deswegen nicht mehr erscheinen? Absurd!

Aber nun bitte unbeschwert nach dem Frühling schauen! Und nach unserem Schaufenster! Ist dem schönsten Thema der Welt gewidmet. 🙂

Kommen, schauen, finden, plaudern – dazu laden wir immer wieder sehr gern und sehr herzlich ein!

Heike Wenige, Martina Gehlhaus und Iva Tscherniradeva