Der Aufbau Verlag feiert seinen 80. Geburtstag und das ist dem Volksbuchhändler (die Berufsbezeichnung zu DDR Zeiten) in mir ein Bedürfnis, dies mit einem Schaufenster zu würdigen und der sehr wechselvollen Geschichte und dem Jubiläum einen Rahmen zu geben. Stand der Verlag doch für die Publikationen von humanistischen literarischem Erbe, hochwertigen Übersetzungen von Literatur aus aller Welt, den damals neuen deutschsprachigen Stimmen im Land und den emigrierten Schriftstellern. (Hab ich viele in meinen eigenen Bücherregalen gefunden und zu Dekozwecken eingebracht. Leider war keines von 1945 dabei.) Schon 3 Monate nach dem Ende des Krieges gründeten die in der kommunistischen Partei besonders kulturpolitisch engagierten Heinz Willmann und Klaus Gysi gemeinsam mit den Berliner Verlagsprofis Otto Schiele und Kurt Wilhelm am 16. August 1945 einen der ersten Verlage der Nachkriegszeit. Autoren wie Christa Wolf, Thomas Mann, Hans Fallada, Erwin Strittmatter, Brigitte Reimann, Christoph Hein, um nur einige Namen zu nennen, wurde er ein verlegerisches Zuhause. Wechselvoll wurde die Geschichte des größten Editionshauses der DDR in den Wendejahren (natürlich) und auch das Verlagsprofil hat sich deutlich in den vergangenen Jahren verändert. Heute ist der Aufbau Verlag mit eines der unabhängigen Häuser in der gesamtdeutschen Verlagslandschaft. Ein schönes Feature zu einem Stück Detailgeschichte des Verlages hat unser heimischer Kultursender gesendet – empfehle ich gern zum Nachhören. https://www.mdr.de/kultur/podcast/feature/edith-anderson-feature102.html
Und auch ein Buch, welches frisch im Aufbau Verlag erschienen und schon die Aufmerksamkeit der Feuilletons erregt: „Karen W.“ von Gerti Tetzner. Das ist ein Roman des Aufbruchs, erschienen erstmals 1974 und damals ein großer Erfolg. Die Protagonistin Karen Waldau ist 29 Jahre alt, als sie eines Morgens beschließt, ihren Mann und ihre Wohnung in der Universitätsstadt L. zu verlassen und, zusammen mit ihrer Tochter, in ihr Heimatdorf zurückzukehren, das sie einst, als erstes Mädchen, das auf die Oberschule ging, im Alter von 15 Jahren verlassen hatte. Sie hat Jura studiert, aber sie will nicht als Juristin arbeiten. Sie will nicht urteilen, sie will fragen, schauen, Leben probieren. „Die Zeit der fixen Ideen ist vorbei“, schreibt ihr ihr Mann hinterher. Das genau glaubt Karen W. nicht und das alles spielt in den 60er Jahren Ostdeutschlands. Und so wechselvoll wie die Geschichte von Karen ist, ist die der Autorin selbst. Sie gehörte zum legendären Autorinnenkreis um Christa Wolf. „Ich kann nichts Untertäniges leiden“, das sagt Gerti Tetzner heute und das prägte ihr Leben, bzw. ihr Schriftstellerleben, denn auch sie gehörte zu den Autoren, die nach den Biermann Protesten der ostdeutschen Intellektuellen nicht mehr veröffentlicht wurden.
Um nur eines der Herbstnovitäten zu benennen, die neben all den anderen nun schon unsere Regale so übermächtig füllen. Geht los ihr lieben Literaturinteressierten! Wir kommen gerade (und eigentlich wie immer um diese Zeit) gar nicht nach, uns juchzend bei jedem Paket zu freuen. Auch die Liste der LonglistBuchpreisNominierten ist spannend (https://www.deutscher-buchpreis.de/) und meinerseits wohlwollend nur geprüft bisher Annette Gröschner „Schwebende Lasten“ (großartig) und Michael Köhlmeier „Die Verdorbenen“ (bösartig gut). Hierzulande näher bekannt, auch, weil wir schon zwei Veranstaltungen mit ihm hatten, ist das neue Buch von Peter Wawerzinek „Rom sehen und nicht sterben“, aber da habe ich noch nicht reingeschaut. Spannend bleibt es wie immer bis zum Schluss. Na klar. Wir laden Sie sehr herzlich in den Taschenbuchladen ein, denn im Newsletter ist viel zu wenig Platz, um über die neuen Bücher von beispielsweise Ingrid Noll, Jaroslav Rudis, Ferdinand von Schirach, Caroline Wahl und Isabell Allende zu plaudern. Neue spannende Autoren wie Nelio Biedermann, Tamaro Tuda, Juliane Baldy, Anna Machik gälte es ja auch zu betrachten und dafür sind wir sehr gern für sie bereit.
Und jaaa, bitte auch frisch an die neue Kalendersaison gedacht! Die Frage „Haben Sie Kalender?“ läßt uns lächeln, seit so vielen Jahren, …das Unspezifische daran. Ja, haben wir! All die Schönheiten in groß und klein, dick und dünn, für die Tasche, für die Wand und für den Schreibtisch auch. Mein Favorit bleibt natürlich „Der Literarische Katzenkalender“, seit so vielen Jahren und so oft waren meine Hausherren darin abgebildet. Für mich sehr traurig, dass die „Macherin“ Ida Schöffling nun nicht mehr unter uns weilt.
Und haben Sie schon wieder Lust auf kulturelle Auszeiten? Unsere erste kulturelle Mittagspause nach den Sommerferien war schon so sehr schön und vertraut und witzig. Martin Ennulat las aus dem zuletzt erschienen Meyerhoff Buch. Und die zweite Kultur zum Mittag im Herbst am 7.10. wird es ganz sicher auch werden. 12.10 Uhr bei Tee und Keks? Wir freuen uns auf Sie und unseren vorlesenden Gast. Den Abend des 7.10. könnten wir Ihnen auch ganz wunderbar gestalten, denn unser erster Lyriksalon der neuen Spielzeit würdigt Ernst Jandl, dessen 100sten Geburtstag wir damit feiern wollen. Bekannt wurde er vor allem durch seine experimentelle Lyrik in der Tradition der Konkreten Poesie, durch visuelle Poesie und Lautgedichte wie schtzngrmm oder falamaleikum, die durch den Vortrag, durchs laut lesen erst ihre besondere und sehr witzige Wirksamkeit entfalten. Eines seiner bekanntes Gedichte ist wohl „Otto Mops“ oder auch „fünfter sein“ und auch seine Zeilen
lichtung
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum
…sind doch irgendwie immer aktuell….
„Wir erlauben uns, Ihnen Ihre Gedichte wieder zurückzuschicken, da wir uns außer Stande sehen, in diesen puren Wortspielereien irgend einen lyrischen Gehalt zu entdecken. Man kann vieles als Gedicht bezeichnen, diese Stücke aber ganz gewiss nicht. Mit den besten Empfehlungen.“ Es grüßte der Suhrkamp Verlag damals in den Fünfziger Jahren. Jandl war ein Sprachavantgardist, getarnt als Beamter. So trat er auf. Ein kleiner, stets Aktentaschen-beschwerter Mann mit schütterem Haar und dicker, schwarzer Hornbrille. Und schon bald: ein Popstar der Beatgeneration. Keiner machte damals Sprache so witzig interessant zu Klang wie Ernst Jandl. Mitte der Sechziger trat er in der Londoner Royal Albert Hall auf. 7.000 Leute sitzen im Publikum. Herrlichst.
20 Uhr im Salon der Stadtwirtschaft und Kartenreservierung wie immer gern bei uns
Am 2.10. laden wir aber auch schon recht herzlich ein – zur Lesung mit Frank Richter und seinem neuen Buch „Oasen im Osten“. Gastgeber ist der SPD Ortsverein mit Alexander Geißler und wir die Unterstützer. Frank Richter dürfte nicht nur mit seiner Streitschrift „Hört endlich zu“ bekannt sein. Der Herausgeber und bekannte Bürgerrechtler führt in seinem neuen Buch zu 23 besonderen Orten zwischen Kamp in Vorpommern und Falkenstein im Vogtland. Über 50 Autoren (unter anderem Christoph Hein) erzählen in Innen- und Außensichten von Menschen mit Ideen, bemerkenswerten Projekten und Möglichkeiten zur Begegnung. Dabei ergibt sich ein ganz besonderes Bild vom Osten, anders, als es oftmals medial dargestellt wird. Hier begegnet man nicht Resignation und Rückzug, sondern Aufbruch und Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Gestaltungswillen. Meinem nordischen Lieblingsbuchhändler in Ueckermünde ist auch eine Geschichte gewidmet. Das freut mich natürlich noch mehr. Unsere Einladung: Freuen Sie sich auf eine Entdeckungsreise durch den ländlichen Osten zusammen mit Frank Richter.
19 Uhr im Cafe Momo NullEurotickets bzw. Reservierungen bei uns im Laden.
Wir bleiben mal noch bei hoffnungsvoll spätsommerlichen Grüßen, da wir alle doch gerade die gärtnerischen Üppigkeiten genießen (mein letzter Kauf von schicken Einkochgläsern wurde von der Kassiererin mit den Worten „Das sieht nach Arbeit aus“ begleitet…)
und grüßen ganz herzlichst aus dem übervollem Taschenbuchladen
Heike, Martina, Josy und Jens
PS für eine kleine Erinnerung an das Wenzel Konzert am 21.9. 20 Uhr im Tivoli. Karten gibt es bei uns und im Tivoli.