Hm…, gerade so und halbwegs rechtzeitig könnte man das „Vom Eise befreit…“ finden, vermutlich nur temporär – beeilen Sie sich bitte mit Ihrem Osterspaziergang durch Feld, Wald und Flur oder dem überhaupt Draußensein und lassen Sie sich von uns bitte dazu ein sehr frohes Osterfest wünschen. Sehr termingemäß dieses Mal, denn wir möchten Sie ebenso rechtzeitig zur „Kultur zum Mittag“ am Dienstag (3.4.) wie immer 12.10 Uhr in den Taschenbuchladen einladen. Womit unser Überraschungsgast Sie erfreuen will, hm, das weiß ich dieses mal gar nicht. Aber wir freuen uns sehr auf ihn (soviel verrate ich), können Sie auch, Sie kennen ihn ganz sicherlich.

Unsere Gäste am Abend im Lyriksalon 20 Uhr im Salon der Stadtwirtschaft, die kennen Sie auch: Rita Zaworka und Stephan Drehmann werden uns die Lyrik des John Lennon vortragen. Mehr als 300 Gedichte, Kurzgeschichten und Skizzen des 1980 ermordeten Musikers John Lennon wurden im Frühjahr 2014 in New York versteigert. Die meisten Stücke habe Lennon für zwei Bücher entworfen, die er in den 60er Jahren veröffentlicht habe, teilte das Auktionshaus Sotheby’s in New York mit. John Lennon hatte bereits seit seiner Kindheit Gedichte und Kurzgeschichten verfasst. 1964 und 1965 wurden zwei Sammlungen skurriler Kurzgeschichten Lennons veröffentlicht, die auch von ihm illustriert wurden. Derek Rue, und darauf freuen wir uns auch, wird das musikalisch begleiten.

In seitenweise Film am 20.4. 20 Uhr zeigen wir „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“. Das ist ein Spielfilm des deutschen Regisseurs Wim Wenders aus dem Jahre 1972. Der Film basiert auf der gleichnamigen Erzählung von Peter Handke. Wenders bezeichnet den Film als sein Erstlingswerk. Zuvor hatte er zwar bereits mehrere Kurzfilme und den Langfilm „Summer in the City“ gedreht, einem größeren Publikum wurde er jedoch erst mit „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ bekannt. Wim Wenders las das Manuskript seines Freundes Peter Handke bereits vor der Veröffentlichung des Buches, und entschloss sich, einen Film daraus zu machen. Dabei hielt er sich genau an die Buchvorlage. Das Budget des Films betrug etwa 600.000 DM, die wichtigsten Geldgeber waren der WDR und die österreichische Telefilm AG. Dadurch konnte Wenders erstmals mit professionellen Schauspielern zusammenarbeiten. Peter Handke erzählt die Geschichte des Monteurs und bekannten ehemaligen Fußballtormanns Josef Bloch, der an einem Freitagmorgen seine Arbeit auf einer Baustelle aufgibt, nachdem er den Eindruck hat, er sei entlassen. Der Titel wurde im Fußballsport zum geflügelten Wort, jedoch immer mit dem Zusatz versehen, dass es in Wahrheit eher der Schütze ist, der beim Schießen eines Elfmeters Angst verspürt.

Mitgebracht von der Leipziger Buchmesse habe ich Ihnen natürlich auch etwas – Leseempfehlungen, na klar!

Zum Beispiel Catalin Mihuleac „Oxenberg und Bernstein“, denn Dank Rumänien als Schwerpunktland der diesjährigen Leipziger Buchmesse liegt dieser kühne und umstrittenstenste Roman der rumänischen Gegenwartsliteratur in deutscher Übersetzung vor. Darin greift der Autor ein Tabuthema auf, das in Rumänien jahrzehntelang verdrängt und verleugnet wurde: das Pogrom in der moldauischen Stadt Iași, dem im Juni 1941 mehr als 13.000 Menschen zum Opfer fielen – mehr als ein Drittel der jüdischen Bevölkerung der Stadt. Sie wurden erschossen, totgeprügelt, in Deportationszügen langsam und qualvoll erstickt. Bis heute wird in Rumänien nur widerwillig eingeräumt, dass für das Massaker rumänische Polizisten, Soldaten und Paramilitärs verantwortlich waren, unter aktiver Beteiligung der Zivilbevölkerung und unter Aufsicht der deutschen Wehrmacht. Am Beispiel der fiktiven jüdischen Arztfamilie Oxenberg führt der Autor vor, wie seit den 1920er-Jahren der Antisemitismus der Rumänen staatlich gesteuert und angeheizt, die jüdische Bevölkerung schrittweise immer aggressiver schikaniert und entrechtet wird. Cătălin Mihuleac verschränkt seine Erzählung vom Untergang der Familie Oxenberg in Iași kapitelweise mit der Geschichte vom Aufstieg der jüdischen Familie Bernstein einige Jahrzehnte später in Washington. Die Bernsteins konnten rechtzeitig aus Iași in die USA emigrieren. Dort sind sie mit Altkleiderhandel so erfolgreich, dass sie auch in Europa, und zwar in Iași, eine Niederlassung gründen. Das alles liest sich unverschämt deftig und politisch unkorrekt. Doch Mihuleacs stilistische Gratwanderung, in der sicheren und gewandten Übersetzung Ernest Wichners, erscheint so kühn wie letztlich überzeugend. Gerade der scheinbar leichtfertige witzige Erzählton bringt das grauenvolle Geschehen umso beklemmender zum Vorschein.

Und sehr gefallen hat mir auch Hannes Köhler„Ein mögliches Leben“ – eine Großvaterenkelsohnundletztenendes Familiengeschichte. Ein Wunsch, den Martin seinem Großvater Franz nicht abschlagen kann: eine letzte große Reise unternehmen, nach Amerika, an die Orte, die Franz seit seiner Gefangenschaft 1944 nicht mehr gesehen hat. Martin lässt sich auf dieses Abenteuer ein, obwohl er den Großvater eigentlich nur aus den bitteren Geschichten seiner Mutter kennt. Unter der sengenden texanischen Sonne, zwischen den Ruinen der Barackenlager, durch die Begegnung mit den Zeugen der Vergangenheit, werden in dem alten Mann die Kriegsjahre und die Zeit danach wieder lebendig. Und endlich findet er Worte für das, was sein Leben damals für immer verändert hatte. Mit jeder Erinnerung, mit jedem Gespräch kommt Martin seinem Großvater näher, und langsam beginnt er die Brüche zu begreifen, die sich durch seine Familie ziehen. Er erkennt, wie sehr die Vergangenheit auch sein Leben geprägt hat und sieht seine eigene familiäre Situation in einem neuen Licht. Den Autoren laden wir uns auch zur Lesung ein.

Fertig gelesen hatte ich Mareike Fallwickl „Dunkelgrün fast schwarz“ und glauben Sie mir, manchmal konnte ich das gar nicht aushalten. Es geht um eine Freundschaft – Raffael, der Selbstbewusste mit dem entwaffnenden Lächeln, und Moritz, der Bumerang in Raffaels Hand: Seit ihrer ersten Begegnung als Kinder sind sie unzertrennlich, Raffael geht voran, Moritz folgt. Moritz und seine Mutter sind Zugezogene in dem einsamen Bergdorf, über die Freundschaft der beiden sollte sie sich eigentlich freuen. Doch sie erkennt das Zerstörerische, das hinter Raffaels stahlblauen Augen lauert. Als Moritz eines Tages aufgeregt von der Neuen in der Schule berichtet, passiert es: Johanna weitet das Band zwischen Moritz und Raffael zu einem fatalen Dreieck, dessen scharfe Kanten keinen unverwundet lassen. Sechzehn Jahre später hat die Vergangenheit die drei plötzlich wieder im Griff, und alles, was so lange ungesagt war, bricht heraus mit unberechenbarer Wucht. Mareike Fallwickl erzählt von Schatten und Licht, Verzweiflung und Sehnsucht, Verrat und Vergebung. Ihr bemerkenswertes Debüt bringt alle Facetten der Freundschaft zum Leuchten, die Leidenschaft, die Sanftheit – und die Liebe, in ihrer heilsamen, aber auch funkelnd grausamen Macht.

Der Martina hatte ich ein Buch aus dem Ulmer Verlag hingelegt, damit sie was zum Kichern hat. (Oh nein, glauben Sie jetzt bitte nicht, es wäre nicht lustig im Taschenbuchladenteam – ist es, versprochen) Der Vertreter meinte, ich sollte mal so „ein bißchen drin rumlesen“, das wäre lustig…. Ist es auch, wie Martina mir noch am gleichen Tag Bescheid gab und es zu ihrem sofortigem Lieblingsbuch erklärte. Jörg Pfenningschmidt und Jonas Reif „Hier wächst nichts – Notizen aus unseren Gärten“ ist mit dem Deutschen Gartenbuchpreis 2018 ausgezeichnet und liest sich tatsächlich am besten, indem man einfach anfängt zu blättern, an einem Foto (etwa die Anleitung zum Bauen einer echten Krake aus Regenwürmern) hängenbleibt und dann den dazu gehörigen Text registriert. Und zu schmunzeln beginnt. Ein Stück weiter wird das Lachen schon lauter, etwa wenn man sieht, wie wohlgeplantes Straßenbegleitgrün verkümmert, wenn sich niemand darum kümmert. Oder welche Samenmischungen Oberstufenschüler bevorzugen (Cannabis sativum etc.). Die Autoren befreien mit gut geschärfter Schere Gartentrends und Zeitgeister von Wildwuchs. Den von Gärtnern gerne mal gehobenen Zeigefinger ersparen sie dem Leser. Das können sie auch, denn sie beherrschen meisterhaft die feinen Spitzen der Ironie. 3 kleine Kostproben aus diesem Buch können Sie auch in unserem Podcast finden, denn ich musste ja auch sehr kichern…

Robin hat auch ein neues Lieblingsbuch: Joanne K.Rowling „Was wichtig ist. Vom Nutzen des Scheiterns und der Kraft der Fantasie“. Grundlage des Buches ist ein Vortrag, den Joanne K.Rowling 2008 an der Harvard University vor Absolventen hielt – ein ungewöhnlicher Vortrag in solch einem Zusammenhang, denn Rowling spricht nicht etwa über Ehrgeiz und Erfolg, sondern über das Scheitern und die Fantasie. Scheitern, meint sie, sie unumgänglich, jeder müsse einmal scheitern und das habe auch seinen Nutzen, denn, wer gescheitert ist, ist frei von allen Ansprüchen und Erwartungen – davon kann sie aus eigener Erfahrung berichten. Ein schönes Geschenk für junge Menschen finden wir…

Das alles und noch sehr viel mehr feine, ausgesuchte, unterhaltsame, spannende und anstrengende Bücher und tatsächlich auch ein paar sehr offensichtlich versteckte Ostereier finden Sie bei uns – wir haben am Samstag bis 14 Uhr geöffnet und grüßen dennoch schon mal recht herzlich Sie und den Frühling, der auch mal vorbeikommen könnte…

Heike Wenige, Martina Gehlhaus und Robin Meltzer