Christine Lavant „Seit heute, aber für immer“
Christine Lavant, geboren 1915 in St. Stefan im Lavanttal, Kärnten, als Christine Thonhauser, lebte mit Ausnahmen von zwei Jahren in ihrem Geburtsort. Sie war das neunte Kind eines Bergmanns, Lyrikerin und Erzählerin. Ihre Schulbildung musste sie aus gesundheitlichen Gründen früh abbrechen. Jahrzehntelang bestritt sie den Familienunterhalt als Strickerin. Sie erhielt u. a. den Georg-Trakl-Preis (1954 und 1964) und den Großen Österreichischen Staatspreis (1970). Christine Lavant starb 1973.
Daß ich dem Mond mein Gemüt überließ,
bringt mich der Lösung nicht näher.
Bis zum gläsernen Weckruf der Hähne
muß ich eingeholt haben
den Schlüssel zu allen Träumen.
Ich werde das Boot verlassen
und über die Wasser des Himmels gehn,
vorbei an den Inseln der Sterne
und der Einkehr der Engel.
Meine Flügel habe ich hingegeben
an die Löwin meiner Schwäche.
Sie wird mir die Wüste bewahren
und den Brunnen der Tänze,
bis ich wiederkehre mit meinem Schlüssel
und Warnung und Vorschriften weiß.
Noch haben die Hähne mein Herz nicht geweckt.
Wehe, wenn ihre gläsernen Rufe
das Lamm mir zerschneiden
vorzeitig und sinnlos!