Heute erzähle ich Ihnen mal aus einer anderen Ecke des Taschenbuchladens, eine, die wir drei sehr mögen und ein ganz wichtiger Teil unserer Kunden auch, die Jüngeren… Nicht nur dass es jedes Mal wieder eine große Freude ist, die unglaubliche Viel- und Schönheit des Kinderbuchmarktes zu sichten und auszuwählen, vor allem dies zu zeigen ist so schön und so dankbar. In diese Welten zu reisen ist meist so einfach und phantasievoll und beflügelnd sowieso…

Was für ein tolles versponnenes Buch ist Saša Stanišićs „Hey,hey,hey Taxi!“ mit wirklich aberwitzigen Geschichten: Mal braust das Taxi auf den Mond, mal ins Mittelalter, trifft auf einen lispelnden Drachen oder ein sprechendes Fieberthermometer. Saša Stanišić hat die Geschichten für seinen Sohn erfunden. Über die letzten Jahre sind die Taxi-Geschichten für die beiden zu einem Ritual geworden. Beim Zähneputzen, beim ins Bett gehen, beim Wandern haben sie sich die Geschichten gemeinsam ausgedacht. Es sind wilde Assoziationsketten, die nur so sprühen vor Phantasie. Im gemeinsamen Erfinden und Erzählen liegt eine ungeheurere Kraft, sagt Saša Stanišić. Und das merkt man diesem Buch so sehr an. Die Illustratorin Katja Spitzer hat es sehr schön und farbenkräftig inszeniert und der Mairisch Verlag herausgebracht.

Ganz anders kommen die „Fantastischen Wesen“ daher. Das Buch (erschienen im ArsEdition Verlag) von D`Anna Giuseppe ist ein wahrer Schatz: Es sind die Aufzeichnungen eines Jungen, dessen Vater ein Hüter für fantastische Wesen ist. Wo leben sie? Wie sehen sie aus und was fressen sie? Wie kann man sich diesen einzigartigen Kreaturen annähern und sich vielleicht sogar mit ihnen befreunden? Und von welchen sollte man besser fern bleiben? Hier lernt man alles über seinen Traumberuf – Hüter der fantastischer Wesen! Wunderschöne Bilder hat es natürlich – von der Illustratorin Anna Láng.

„Memento Monstrum“ von Jochen Till (erschienen im Coppenrath Verlag) bietet auch ziemlich fantastische Wesen. Ganz anderer Art. Es sind Graf Draculas „wahre“ Memoiren. Hilflos ist er, denn er soll ein Wochenende allein mit seinen Enkelkindern verbringen. Ihnen fällt das alte Fotoalbum der Familie in die Hände und auf einmal ist Opa Dracula ganz schön cool! Denn nur er weiß, dass der kolossale Yeti in Wahrheit DIE Yeti ist und von einer Karriere als Ballerina träumt. Dass ein hinterlistiger Werwolf der beste Drummer aller Zeiten war und dass ein schleimiges Fischmonster bei den Olympischen Spielen alle Schwimmrekorde brach… Jede Menge abscheuliche Kreaturen kommen darin vor und die hat Wiebke Rauers allerherrlichst illustriert.

Nicht erschrecken sollten Sie bei dem Titel „Die Tode meiner Mutter“. Im Laufe eines einzigen Tages macht diese Mama, um die es im Buch geht, so manche Verwandlung durch. Mal ist sie ganz still, mal laut und aufbrausend. Am Tag spielt sie mit den Kindern. Am Abend aber verwandelt sie sich in eine glamouröse Opernsängerin. In einer ihrer vielen Rollen steht sie auf der Bühne und begeistert das Publikum. Zu ihrem Bilderbuch-Debüt (Nord-Süd Verlag) wurde die Autorin und Illustratorin Carla Haslbauer von der Welt der Oper inspiriert. Ihr leichter und farbenfroher Stil zeugt von ihrer Liebe zum Comic und mit viel Humor teilt sie eine universelle Erkenntnis: dass die Eltern nicht nur Eltern sind, sondern in viele verschiedene Rollen schlüpfen (müssen).

In gedeckten Farben und mit feinem Strich erzählt Raffaela Schöbitz die Geschichte der kleinen Emma, eine Geschichte über Selbstwahrnehmung, die Wahrnehmung von anderen und wie man sich selbst dann doch wieder lieb haben kann, ganz egal, was die anderen sagen. „Schule“ steht da über dem Eingang zu einem klobigen Haus, in das Emma eines morgens gebracht wird und drinnen, ja drinnen wachen die grauen Riesen. So heißt das Buch auch und ist im Luftschacht Verlag erschienen. „Du, Knollnase, die Rechnung ist ganz einfach. Keine Hexerei.“ Da steht dieses Wort also plötzlich vor Emma. So groß und fürchterlich wie der dunkelgraue alte Riese. Knollnase? Emmas neuer Spitzname macht sie sehr traurig. Aber so schnell lässt sie sich dann doch nicht einschüchtern, denn Emma ist ein bengalischer Tiger, sagt Papa immer. Und plötzlich hat der Tiger auch einen Plan…

Unglaublich spannend finden wir auch „Wie krank ist DAS denn?!“ (von Birte Müller, illustriert vonYannick de la Pêche und erschienen im LieblingsKlett Kinderbuch Verlag) Wirklich! „Gruselige Krankheiten von früher und heute“ ist der Untertitel und mehr braucht man ja dazu gar nicht zu sagen, außer, dass wir jetzt wissen, warum Seemänner Sauerkraut liebten…

Katrins neues Lieblingsbuch ist „Die Mitternachtsbibliothek“ (Droemer Knaur Verlag) von Matt Haig und das Buch ist eine Ode an das Leben, sagt Katrin. Diese Bibliothek ist eine ganz Besondere, hier gibt es die verschiedensten Varianten Leben, die man leben könnte. Was wäre geworden, wenn man anders reagiert hätte. „Das Buch fand ich total faszinierend, weil es zeigt, dass es kein gutes oder schlechtes Leben gibt, sondern dass alle Entscheidungen, die man fällt, wichtig sind und unverzichtbar.“„Jedes Leben umfasst Millionen von Entscheidungen. Manche groß, manche klein. Doch jedes Mal, wenn man einer Entscheidung den Vorzug vor einer anderen gibt, verschiebt sich das Resultat. Es tritt eine irreversible Veränderung ein, die wiederum zu weiteren Veränderungen führt.“ Zitat Matt Haig

Martinas neues Lieblingsbuch ist „Der Schneeleopard“ von Sylain Tesson (Rowohlt Verlag). Sylvain Tesson, Journalist und Reiseschriftsteller, begibt sich gemeinsam mit dem Tierfotografen Vincent Munier in Tibet auf die Suche nach dem seltenen und scheuen Schneeleoparden. Sie suchen tagelang bei zweistelligen Minusgraden in über 4000 Metern Höhe, begegnen wilden Eseln, zotteligen Yaks, Luchsen, Wölfen und Blauschafen und schlagen ihre Lager in einsam gelegenen Hütten auf, durch die der Wind pfeift. Eigentlich hat man das Gefühl, um nichts in der Welt die Hütte wieder verlassen zu wollen, aber Munier sucht mit unglaublicher Ausdauer und Zielstrebigkeit und jeder Tag ist ein neues kleines Abenteuer, das Sylvain Tesson mit hintergründigen Gedanken über die Welt fernab von Lärm und Schnelllebigkeit begleitet. „Es ist vor allem die Stille und das Warten und das ist auch noch kurzweilig. Einfach ein schönes Eintauchen in die Stille des Augenblicks.“

Heikes neues Lieblingsbuch ist „Vom Aufstehen“ von Helga Schubert, die vergangenes Jahr im Alter von 80 Jahren den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann. „Ein Leben in Geschichten“ steht auch auf dem Buch (dtv) , und natürlich geht es darin nicht um irgendein Leben, sondern um das von Helga Schubert. Es ist ein bewegtes Leben gewesen, erst als Kriegs- und Flüchtlingskind, dann in der DDR, dort im Visier der Stasi, unter Repressalien leidend, aber auch mit Privilegien ausgestattet, seit 1989 im wiedervereinigten Deutschland. Lebensmittelpunkt war/ist Neu-Meteln, jener Ort, in dem auch Christa Wolf lebte und Kolleginnen und Kollegen um sich scharte. Und auch protegierte. Die schönste Erzählung ist tatsächlich die Titelgeschichte, für die sie mit dem Bachmannpreis ausgezeichnet wurde. „Vom Aufstehen“ liest sich wie ein Echo auf die Kindheitserinnerung an den ersten Ferientag im Garten der Großmutter. Ohne jede Larmoyanz schildert Schubert das Vermächtnis der Kriegsgeneration: Von traumatisierten oder abwesenden Eltern unzureichend geschützt, ging diesen Kindern ihre Kindheit verloren.
Und wissen Sie, was uns beim Aufräumen und Staub wischen im Taschenbuchladen immer mal wieder begegnet? So ganz witzige Buchtitel! „Die Eloquenz der Sardine“ ist ja mein Liebling, aber „Ich träumte, ich hätte einen Wetterhahn geheiratet“ ist auch ganz wunderbar, bzw. „Männer ohne Möbel“ und „Gestapelte Frauen“ und „Iss das jetzt, wenn Du mich liebst“. Die Autoren mögen uns bitte bitte das Amüsement verzeihen…

Und Sie bitte auch, dass ich jetzt jedweden Kommentar über Wetter und daraus eventuell entstehende DraußenseinFrühlinggenießenGartenFreuden unterlasse… Zumutung fällt mir nur ein! Herzlichst gegrüßt aus einen „Dinge des täglichen Bedarfs“ – und damit wie gewohnt geöffneten Taschenbuchladen (zumindest derzeit…) von Heike Wenige, Martina Gehlhaus und Katrin Steinert